Bergfestungen, Bhang-Shops und „Bschisser“
Seit zwei Wochen bereisen wir Indien – zurzeit den Indischen Bundesstaat Rajasthan, das Land der Könige. Seit dem Start unserer Indienreise ist die Faszination für dieses Land gross…und wir sind uns sicher…sie wird uns auch nicht so schnell wieder verlassen. Indien ist für uns ein Land mit zwei Gesichtern: Auf der einen Seite die vielfältige Kultur und Landschaft, die uns Tag für Tag neu überrascht – auf der anderen Seite die Touristenindustrie, aus der die meisten Inder möglichst grossen Profit schlagen möchten.
Rajasthan trägt nicht zu unrecht den Titel «Land of the Kings». Unzählige Bergfestungen, eine spektakulärer als die andere (unten im Bild die Bergfestung von Jodphur), lassen uns nur erahnen, wie hier die Herrscher der Rajputen Dynastien (ab dem 9. Jahrhundert), Grossmogule (ab dem 15. Jahrhundert) und Maharadschas (ab dem 19. Jahrhundert) mit ihrer Gefolgschaft residierten und sich gegenseitig bekriegten.

Unsere Reise führte uns zuerst von Varanasi aus mit dem Nachtzug – übrigens ein sehr angenehmes Fortbewegungsmittel im Gegensatz zu Nepalesischen Busfahrten – nach Jaipur, Rajasthans Hauptstadt. Unzählige Sehenswürdigkeiten gab es hier zu besuchen, die uns einen ersten guten Einblick in die Geschichte Indiens ermöglichte. Das berühmteste Wahrzeichen Jaipurs ist der 1799 erbaute «Palast der Winde». Er diente den Damen des Hofes, die sich nicht unter das einfache Volk begeben durften, als Beobachtungsposten. Von den vergitterten Fenstern aus hatten die Damen eine perfekte Aussicht, wurden selber jedoch nicht gesichtet…

Beeindruckt waren wir auch von Amber Fort. Eine ausserhalb der Stadt, auf einem Hügel thronende Bergfestung. 1592 aus gelbem und rotem Sandstein erbaut, diente diese 800 Jahre lang den Rajput Dynastien als Zuhause.

Von Jaipur ging es schliesslich weiter nach Jaisalmer, mit einem kurzen Sightseeing-Stopp in Jodhpur. Mehrangarh, die 120m oberhalb von Jodhpur liegende, mit dem Felsen verschmelzende Bergfestung, war unser Ziel. Eindrücklich gross und mächtig zeigte sich die Festung von weitem betrachtet…

…eindrücklich raffiniert und kunstvoll verziert zeigten sich die verschiedenen Wohn- und Empfangsräume aus der Nähe betrachtet…

…reich an farbigen Glasfenstern, goldenen Säulen und mit Spiegelmosaik übersäten Wänden.

Während unseres Besuchs des Mehrangarh erfuhren wir per Audioguide…

…wie die Inder hier vor hunderten von Jahren lebten. Beispielsweise, dass der hier ende des 19. Jahrhundert lebende Maharadscha über 30 Ehefrauen und Konkubinen hatte, dass Opium, geraucht oder getrunken, ein beliebtes Rauschmittel während den farbenfrohen Festen war und dass die herrschenden Klassen einen grossen Sinn für Ästhetik hatten. Entsprechend eindrücklich zeigten sich die diversen Handwerkskünste: fein verzierte Schwerter und Schusswaffen, raffiniert bestickte Kleider und Tücher oder detailreiche Miniaturzeichnungen.

Dank einem interessanten Gespräch mit einem frisch verheirateten Pärchen erfuhren wir zudem auch mehr das Indien von heute. So erzählten sie uns, dass arrangierte Heiraten nicht mehr üblich sind im modernen Indien und dass sie, zur Mittelklasse gehörend, je rund 600 US Dollar im Monat verdienen, sich damit aber ein Haus zum Mieten mit Hausdame, welche wäscht, putzt und kocht, leisten können…was sich doch ganz gut anhört 😉
Auch Jaisalmer, eine Stadt im Westen Rajasthans, nahe der Pakistanischen Grenze und Ausgangspunkt für Kamel Treks in die Wüste, wartete mit einem imposanten Fort auf. Jaisalmer, auch „Golden City“ genannt (die Altstadt wie auch die Festung ist aus honiggelbem Sandstein gebaut), ist eine mit rund 3000 Einwohner nach wie vor bewohnte Festung. Gemütlich konnten wir hier durch die kleinen verwinkelten Gassen schlendern…

…und die zahlreichen janiistische Tempel besuchen, für welche die goldene Stadt neben dem Fort Berühmtheit geniesst. Janiismus ist eine der vielen Religionen, die hier in Indien praktiziert werden (80% der Inder praktizieren den Hinduismus, 13% den Islam, 2% den Sikhismus und 0.8% den Buddhismus, 0.4% dem Janiismus, 2.3% das Christentum und noch rund 40’000 den Zoroastrismus). Staunen konnten wir dabei ab den feinen Steinhauerarbeiten…

…die das Innenleben der Tempel prägen und uns immer wieder neue Figürchen entdecken liessen.
Nach dem Motto «Aller guter Dinge sind drei», gab es hier in Jaisalmer eine weitere Entdeckung zu machen: Die Produkte der Bhang-Shops. Nun fragt Ihr Euch sicher, was Bhang-Shops sind. 1. Sie tragen das Siegel „governement approved, 2. Sie bieten Lassis, Milchshakes, Cookies in den Variationen «Light», «Medium» und «Strong» an und 3. Sie sind bei den Locals wie auch den Touristen äusserst beliebt 😉 Bhang ist, wie der Besitzer des berühmten Bhang-Shops erklärt, eigentlich nichts anderes als die Blume und die Blätter der Hanfpflanze mit Butter fein zerstampft. Während Marihuana in Indien illegal ist, ist Bhang staatlich erlaubt. Dies, weil Hanf die Pflanze des hinduistischen Gottes Shiva ist und zur Meditation konsumiert wird, aber auch um dem stark wachsenden Schwarzmarkt Einhalt zu bieten. Und so wird Bhang rege und ganz legal konsumiert…ob gegessen, getrunken oder geraucht…mit Ausnahme von uns, wir liessen natürlich die Finger davon 😉

Von Jaisalmer ging es zu unserem zweitletzten Reiseziel im Staate Rajasthan, nach Pushkar. Ein für indische Verhältnisse kleines verschlafenes Städtchen, mit nicht zu unterschätzender Wichtigkeit. Hinduisten pilgern hier hin, um im heiligen See (eine Mythe besagt, dass dieser entstand als die Gottheit Brahma hier eine Lotusblüte fallen liess) ein Bad zu nehmen, oder den Brahma Tempel zu besuchen. Einer der wenigen Tempel weltweit, der Brahma, den Kreator- neben Shiva und Vishnu – eine der wichtigsten Gottheiten des Hinduismus gewidmet ist. Eigentlich wäre es nicht erlaubt, den heiligen See zu fotografieren…wir haben einen unbeobachtet Moment dann doch für einen kleinen «Knippser» genutzt 😉

Neben all den Schönheiten wartet Indien leider auch mit weniger angenehmen Situationen auf. Wo die Inder können versuchen sie Profit zu schlagen und berechnen das Dreifache der üblichen Marktpreise, sei es für eine Hose, für ein Busticket oder eine Rickshawfahrt. Und dafür ziehen sie alle Seiten auf…ohne mit der Wimper zu zucken erzählen sie Märchen um Märchen: Jenes Gästehaus sei geschlossen, man solle doch in ihres gehen oder bis zur Busstation müsse man noch 3km laufen, man solle doch lieber ein Ricksah nehmen, etc. Doch auch diese Seite Indiens ist für uns eine Erfahrung und Lebensschule, die wir nicht missen möchten…»Vertrauen» bekommt so für uns eine ganz andere Bedeutung und Tag für Tag müssen wir dazulernen, um uns im Touristendschungel Indiens durchzuschlagen ohne grosse übers Ohr gehauen zu werden. Nicht einfach, wie wir gestehen aber langsam kommt das entsprechende Bauchgefühl und im Runterhandeln der Preise sind wir schon bald Meister 😉
Und so reisen mit mit voller Zuversicht, nicht mehr ständig Leergeld bezahlen zu müssen, der Westküste entlang weiter Richtung Süden…zu den schönsten Stränden Indiens…bald steht ja Weihnachten vor der Tür, und diese wollen wir wie es sich gehört, ganz relaxt unter Palmen geniessen 😉