Guerilla Trek: Blind Date mit Nepals Bergbevölkerung
Während dem Wandern in der Mount Everest Region hinterliessen insbesondere die eindrücklichen Landschaftsbilder bleibende Eindrücke. Der Guerilla Trek liess uns schliesslich näher das Leben der nepalesischen Bergbevölkerung erleben: Raues Klima, hartes Arbeiten, jeden Tag Daal Baaht essen, selbst gebrannter Raksi trinken und animistische Traditionen pflegen.
Mit ein gewisser Portion Ungewissheit im Gepäck, was uns auf dem Trek erwarten sollte, starteten wir in den ersten langen Wandertag (7 Std.) von Beni nach Darbang. Hier war das Klima bei einer Höhe von rund 800m noch äusserst mild und Reisfelder links und rechts vom Weg zeichneten das Landschaftsbild (je höher wir stiegen änderte sich auch die Landwirtschaft: Ab rund 1800m wurde dem kälteren Klima entsprechend Kartoffeln und Mais angepflanzt). Die Ernte war vorbei und nun pressten die Reisbauern mit Hilfe ihrer Ochsen die getrockneten Reishalme zu meterhohen Kegeln zusammen. So wird das Stroh erneut zu fruchtbarer Erde um die Felder zu düngen.

Wie es nicht anders sein kann hier in Nepal, stand nach einer weiteren langen Tagestour von Darbang nach Lumsang (7 Std), vorbei an hübschen Bergdörfern, mit Fernsicht auf das Dhaulagari (8167m) Bergmassiv…

…die erste Passüberquerung (3400m) auf dem Programm. Doch, welch Wunder, es ging nicht 1200 Meter in die Höhe und danach wieder steil abwärts – nein, ganz moderat trekkten wir in den nächsten Tagen das Tal hinab. Die Natur zeigte uns ein anderes Nepal: Steppenähnliche Hochebenen mit Fichtenwäldern, auf denen – zu dieser Jahreszeit – verlassene Alphüttchen standen. Je nach Tageszeit ergaben sich wunderbare Stimmungen, durch die wir mutterseelenalleine wanderten.

Glücklicherweise war kurz nach dem Pass doch noch eine Hütte bewohnt, und so mussten wir nicht wie befürchtet im Freien übernachten 😉 Nun, ob die simple Lehmhütte, in der wir schliesslich nächtigten, wärmer war, lassen wir mal offen stehen. Unsere Gastgeber, eine jungen Familie, verköstigte uns und zwei Schafhirten mit einem auf offenem Feuer (da keine der Hütten, in der wir nächtigten, ein Chemine oder Rauchabzug hatte, waren wir schon bald zwei wandelnde Rauchsäulen) gekochten köstlichen Daal Baaht-Gericht.

Reis mit Linsensuppe und Kartoffeleintopf (als Variation wird ab und zu Fleisch, Pickels (eingelegter Rettich) und eine Art Spinat dazu serviert) ist sozusagen das Menu 1 in dieser Region, welches die Bewohner des westlichen Berglandes tagein tagaus zum Frühstück wie auch zum Abendessen geniessen.

Nach drei Tagen Daal Baaht-Essen war uns die Abwechslung, die uns eine im Dorf Dorbathan ansässigen tibetische Familie zum Mittagessen zubereitete, gedämpftes Brot mit Kartoffelsuppe und getrocknetem Büffelfleisch, herzlich willkommen.

Schön war auch, dass die Tibeterin sehr gutes Englisch sprach und wir so das eine oder andere über das westliche Bergland erfuhren. Beispielsweise, dass die öffentlichen Schulen in den Bergregionen eher schlecht als recht sind – unterrichtet wird teilweise in freier Natur – und so gehen die drei ältesten Kinder ( 6 bis 14 Jahre alt) der tibetischen Familie in Pokhara und Kathmandu in die Schule…

Die Nacht verbrachten wir in Niseldohr, wiederum im Haus einer nepalesischen Bauernfamilie, in der wir neben Daal Baaht die zweite kulinarische Spezialität dieser Region kennenlernten: Raksi (ein Reisschnaps). Nur schwer konnten wir mit den Trinkgewohnheiten der Gastgeber mithalten, die Tasse um Tasse leerten, als wäre es Tee…
Nach Niseldohr ging es schliesslich nach Upallo Serra weiter. Da wir bereits nach 6,5 Stunden Wandern im Dorf eintrafen, konnten wir hier etwas mehr Zeit mit den Einwohnern verbringen. Während ich eine Partie Volleyball spielte – ein Nationalsport, wie es so scheint, ist doch in fast jedem Dorf ein Netz aufgestellt – …

…unterhielt Roger die Kleinen, die eine grosse Freude daran hatten für Fotos zu posieren und diese dann bestaunen zu können.

Der darauf folgende Trekkingtag erwies sich schliesslich als der Abenteuerlichste. Dies, weil wir bei der zweiten Passüberquerung nicht den richtigen Weg fanden und uns im dichten Dschungelwald mit tausend kleinen Trampelpfaden verirrten. Und so erreichten wir rund zwei Stunden später als geplant, von Ästen verkratzt und etwa so ausschauend wie die Ziegen unten im Bild, die Passhöhe (3050m)…

…steil ging es schliesslich bergab ins Dorf Lukum, wo wir per Zufall auf ein jhankri (Nepalesische Schamanen) Ritual trafen: Rund sechs jhankris, mit einer doppelseitigen Trommel und einem Kopfschmuck aus Federn ausgestattet, torkelten zwischen einer aufgebrachten Menschenmenge hin und her. An der Leine hielten sie zwei Schafe, die sie zu beginn hin und her schleuderten, danach aufschlitzten, das Herz hinausrissen und danach in den Mund nahmen. Ein kleines Filmchen davon gibts auf unserer Facebook-Seite zu sehen.

Ein für uns verstörendes Ritual…und so nahmen wir bald auch wieder Reissaus und suchten uns eine Übernachtungsmöglichkeit. Ein neue eröffnetes Hotel – jedoch nicht luxuriöser als die Unterkünfte zuvor: Lehmboden, Wände aus Stein, Wellblech oder Holz mit zahlreichen Ritzen und Löchern und eine Holzpritsche mit einigen Decken darauf.

Die Herzlichkeit, mit der uns die Familien jeweils bewirteten, liess diesen Mangel an Luxus nicht so schwer ins Gewicht fallen. Dennoch waren wir froh, als der letzte lange Trekkingtag (10Stunden Wanderzeit), von Lukum nach Balkot anstand. Und tags darauf die Rückfahrt per Bus nach Pokhara. Was sich nach Erholung anhört, erwies sich dann jedoch als tausend mal anstrengender als die letzten Wandertage zusammengenommen: Rund 13 Stunden hoppelten wir von einer Schotterpiste zur nächsten und dazu schallte ununterbrochen laute nepalesische Volksmusik aus den Lautsprechern. Nach den einsamen Trekkingtouren im westlichen Bergland ein Kulturschock par excellence. Und ein weiteres unvergessliches Erlebnis, welches wir auf dem Guerilla Trek erfahren durften.
Nun heisst es für uns Abschied nehmen von Nepal. Die Zeit war wunderbar, ereignisreich, voller bleibender Eindrücke. Morgen reisen wir per Bus nach Kathmandu um unser Visa für Indien abzuholen. Danach werden wir eine 20 stündige Busfahrt nach Varanasi – unserem ersten Ziel in Indien – in Angriff nehmen, und hoffen, diesmal nicht nur über Schutt und Stein fahren zu müssen 😉 Wir freuen uns extrem und sind gespannt was uns erwarten wird: «Du wirst Indien hassen oder lieben», ist ein beliebter Spruch. Mal schauen, was auf uns zutreffen wird…