Varanasi: Dem Leben und Tod so nah!
Nach einer 25stündigen, nicht enden wollenden Busfahrt erreichten wir unser erstes Ziel hier in die Indien, die im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh liegende Stadt Varanasi. Varanasi, eine der heiligsten Stätte des Hinduismus, bot uns keinen Freiraum zur Angewöhung und liess uns in sekundenschnelle in die Indische Kultur eintauchen – spirituell, farbenfroh, stimmungsvoll, dem Kreislauf des Lebens folgend. Eine Stadt, die uns im Nu in ihren Bann zog.
Auf der Busfahrt von Kathmandu nach Varanasi hatten wir genug Zeit, uns ausführlich in den Indien-Reiseführer einzulesen. Die Spannung stieg, was uns wohl erwarten sollte, zusammen mit einer gewissen Portion Nervosität. «Brace yourself. You are about to enter one of the most colorfoul, unrelentingly chaotic and unapologetically indescreet places on earth», kündete der Lonely Planet India unser erstes Reiseziel an.
Eine grosse Ansprache die Wort hielt, wie wir bereits nach unserem ersten Spaziergang dem heiligen Fluss Ganges entlang erlebten. Dessen Wasser wird die Kraft zugeschrieben, den Menschen von seinen Sünden zu reinigen. Seit mehr als 3000 Jahren pilgern dann auch Gläubige in die Stadt des Gottes Shiva, einer der wichtigsten Götter im Hinduismus. Er manifestiert sich als Zerstörer und ist aufgrund dessen auch die Ursache für die Schöpfung, denn ohne die Zerstörung von dem alten Zyklus, kann es keine neue Schöpfungsperiode geben.

An den stufenartigen Uferbefestigungen, den sogenannten Ghats, treffen sich die Einwohner Varanasis um ihr morgendliches, rituelles Bad zu nehmen…

…ihre morgendliche Puja (Gebet) zu halten…

…aber auch um Wäsche zu waschen…

…Yoga zu praktizieren, Kricket zu spielen oder einen gemütlichen Schwatz zu halten.
Die indiskrete Seite der Stadt erlebten wir beim Passieren des Manikarnika Ghats. Der hinduistischen Mythologie folgend brechen Hinduisten, die nach ihrem Tod in Varanasi verbrannt werden, aus dem ständigen Kreislauf der Wiedergeburt aus. Und so finden an zwei Ghats öffentliche Leichenverbrennungen statt. Meterhohe Stapel von Holzscheiten zeugen davon (das Fotografieren der Leichenverbrennungen ist nicht erwünscht).

Die öffentlichen Leichenverbrennungen waren ein für uns ungewohnter Anblick, und liessen uns auch erkennen, wie wenig selbstverständlich unser Umgang mit dem Tod ist. Oder anders gesprochen: wie unsere Kultur das jetzige Leben mit einer Einzigartigkeit verknüpft, während die Hinduisten vielmehr den Kreislauf von Leben und Tod in den Vordergrund stellen. Weisse, auf die Stirn gestrichene Asche, soll dann auch stets daran erinnern, das der menschliche Körper nicht mehr als Staub ist.
Unbeschreiblich schön ist die Stimmung am Ganges bei Sonnenaufgang. Gerne nahemn wir es dann auf uns, frühmorgens um fünf Uhr den Wecker zu stellen bei einer Bootstour die orange Färbung des Himmels, des Flusses und der Stadt während der Morgendämmerung zu erleben.

Auch nutzten wir die Gelegenheit, ein Schwätzchen mit dem Bootsfahrer zu halten. Dabei erfuhren wir beispielsweise, dass eine Kremierung am Ganges etwas sehr exklusives ist, das sich nicht jeder Inder leisten kann: Rund 300 Schweizer Franken. Zum Vergleich: Eine in einem Strassencafé gekaufte Samosa (fritierte Teigtasche gefüllt mit Kartoffeln und Kichererbsen) kostet rund 7 Rappen.
Doch nicht nur die schönen Seiten der Stadt gilt es hervorzuheben…Inder können ganz schön aufsässig sein, wie wir bereits kurz nach der Ankunft erfahren mussten: Rickshawfahrer belagerten uns von allen Seiten und boten uns ihre Taxileistung an, auch noch nach dem x-ten Mal ablehnen. Nicht anders erging es uns tags darauf während dem Spaziergang dem Ganges entlang – egal was, ob Massage, Bootstour, Seidenschals oder ein frischer Haarschnitt – ein «Nein» wurde nicht akzeptiert.
Auch mit der Sauberkeit halten es die Inder und die tierischen Einwohner Varanasis (heilige Kühe, Büffel und Ziegen) nicht so genau.

Die Strassen sind übersät mit Abfall und Kot. Und so verkommt ein Gang durch die Altstadt zu einem Hüpfen von einem sauberen Fleck zum nächsten.
Varanasi erlebten wir so als eine Stadt der extremen Gegensätzen, eine Stadt, die uns teilweise schockierte, insbesondere aber auch faszinierte. Eine Stadt, die definitiv einen bleibenden Eindruck hinterlässt.
Heute steht nun unsere erste Indische Zugfahrt, von Varanasi nach Jaipur, auf dem Programm. 17 Stunden werden wir insgesamt unterwegs sein, bis wir in der Hauptstadt des Staates Rajasthan, «The Land of Kings» mit seinen unzähligen Bergfestungen und Palästen, eintreffen werden.