„Vertraue, aber binde erst dein Kamel an!“
Warum der Zweifel dein Freund ist und wie dir dein Vertrauen ins Ganze ein Leben in totaler Entspannung schenkt – ein fiktives Interview* mit dem indischen Philosophen Osho.
Was bedeutet, zu vertrauen?
Osho: Vertrauen heisst offen sein, zugänglich – so empfänglich wie ein Mutterschoss. Das du dich öffnest für den Wind und den Regen und die Sonne der Existenz, dass man sich überhaupt nicht mehr wehrt – dass man im Zustand der Losgelassenheit ist. Dieses Vertrauen ist eine innere Qualität, es lässt sich nicht erzeugen, sondern es gilt, das Vertrauen in sich zu entdecken.
Es geht darum, in das tiefe Urvertrauen zurückzugehen, dass alles, was geschieht, gut so ist. Die Natur sorgt für alles. Geboren werden wir ohne unser Zutun, sterben werden wir ohne unser Zutun. Es gibt keinen Grund, dazwischenzufunken, sondern sich zu entspannen und alles geschehen zu lassen.
Demnach sind Sorgen und Zweifel völlig überflüssig?
Manchmal grosse Zweifel zu haben ist menschlich und natürlich. Denn Vertrauen und Zweifel schliessen einander nicht aus – wer kein Vertrauen hat, kennt auch keinen Zweifel oder anders formuliert: Nur wer Vertrauen hat, kann zweifeln: und zwar nur weil er vertraut!
Was ist Zweifel denn? Er ist nichts weiter als ein Fragezeichen. Er ist nicht der Feind, sondern lediglich ein inneres Fragezeichen, das dich anspornt nachzuforschen. Zweifel befördern das Wachstum deines Vertrauens. Es geht also darum, den Zweifel zu nutzen. Er sagt: „Such dir einen Ort, wo du dich entspannen kannst, wo du du selbst sein darfst, restlos.“
Und wo finden wir diesen Ort?
Es gibt Dinge, die nur von selber geschehen, die nicht getan werden können. Vertrauen heisst: Losgelassen zu haben. Lass dich, statt zu schwimmen, von der Strömung an eine unbekannte Küste tragen, denn wer schwimmt, kommt nicht an.
Nicht ganz einfach, wurde uns doch immer gesagt: Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied…
Es gibt auf der Welt zwei Arten von Menschen. Der eine meint, immer etwas tun zu müssen. Er denk: „Selbst ist der Mann oder die Frau.“ Er hat kein Vertrauen ins allumfassende Ganze. Er verlässt sich nur auf sein eigenes Quäntchen Energie. Diese Menschen sind nervös und permanent angespannt.
Und was macht die zweite Art von Menschen?
Dieser denkt: „Wenn sich die Existenz ohnehin um alles kümmert, brauche ich keinen Finger zu krümmen.» Er sitzt einfach da und wartet, wird immer fauler und hört von einem gewissen Punkt an ganz auf zu leben.
Gäbe es denn eine Alternative?
Die Sufi-Weisheit „Vertraue auf Allah, aber binde erst dein Kamel an“ verweist auf eine dritte Art von Menschen. Einer, der versteht, wann man anpacken muss und wann nicht, der Ja sagen kann aber auch passiv sein und Nein sagen kann, der am Tag hellwach ist und in der Nacht schläft, der einzuatmen und auszuatmen versteht, der ein ausgewogenes Leben führt.
Heisst konkret…
Vertraue der Existenz und sei dennoch aktiv. Tu alles, was du tun kannst. Dabei ist alles Tun, was dem Augenblick entspringt, das lebendig auf die Situation eingeht, das richtige Tun. Denn das Leben ist ständig im Fluss, nichts bleibt gleich, alles fliesst, also plant ein Weiser die Zukunft niemals genau. Dein Tun garantiert zwar nicht das Ergebnis, denn es gibt keine Garantie.
Es gibt zigtausende von Energien, die kreuz und quer durcheinander weben und alle zusammen bestimmen das Ergebnis. Du musst also aktiv werden, aber auch lernen, keine Erwartungen zu haben. Akzeptiere einfach alles. Dann ist alles Tun eine Art von Andacht – ohne ein bestimmtes Ergebnis herbeizuwünschen. Mach dir keine Gedanken wegen morgen, und beweg dich frei. Im selben Moment, in dem du das verstanden hast, entspannst du dich. Zwar hat diese Entspanntheit etwas Chaotisches – denn im Leben ist nichts sicher – ist aber trotzdem Entspannung, weil du nichts erwartest. Ein entspanntes Chaos – so sollte der Mensch sein.
* Die Antworten sind dem Buch „Vertrauen“ der Osho International Foundation entnommen.
(Bildercredits: unsplash.com)