Widerstandskraft – Tipps für deine Stress-Resistenz
Stress ist höchst individuell. Es gibt Menschen, die bleiben in den grössten Stürmen völlig tiefenentspannt, während den anderen bereits das Aufziehen grauer Wolken Sorgen bereitet. Wo liegen die Unterschiede und die noch viel wichtigere Frage: kann man dieses seelische Immunsystem stärken? Ein Blogbeitrag zum Thema Resilienz.
Während die eine Mutter ihre 4 Kinder morgens in die Schule schickt und völlig gelassen auf der Arbeit erscheint, liegen bei einem anderen Vater die Nerven blank. Das, obwohl beide dieselbe Situation zu meistern hatten: Kind 1 wollte sich nicht die warme Daunenjacke anziehen, obwohl es draussen deutlich kühler geworden ist. Kind 3 nörgelte über das Znüni-Böxli und wollte es partout nicht in seinen Schulrucksack einpacken. Auf dem Arbeitsweg standen die Autos über eine halbe Stunde im Stau.
Nein, es liegt nicht an der Frau, die doch zum Multitasking geboren ist oder am Mann, der mit seinem Tunnelblick nun mal im Alltag eingeschränkt bleibt. Stereotypen auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen, soll hier nicht Thema sein. Viel wichtiger: die Beispiele könnten in tausend anderen Varianten gespielt werden und am Ende zum selben Resultat führen. Wir Menschen haben unterschiedliche Fähigkeiten entwickelt, auf Stress zu reagieren!
Die Resilienzforschung befasst sich seit längerem mit diesem hochspannenden Thema. Denn Resilienz ist die Fähigkeit, gelassener auf stressauslösende Reize zu reagieren. Sie funktioniert wie ein mentales Immunsystem gegenüber den Einflüssen. Und genau da will ich jetzt mit dir eintauchen!
So stärkst du deine Widerstandskraft
Belastungen lassen sich in zwei Kategorien einteilen. Mikrostressoren sind die alltäglichen Probleme des Lebens. Bei Makrostressoren handelt es sich um Traumata wie etwa der Tod eines Angehörigen, Vernachlässigung in der Kindheit oder Missbrauchserfahrungen.
Ich möchte hier insbesondere auf deine Widerstandskraft bzw. Resilienz gegenüber alltäglichen Stresssituationen eingehen und wertvolle Impulse aus dem 7-Säulen-Modell von Resilienz-Trainerin Dr. Franziska Wiebel aufnehmen, von mir ergänzt. So scheint es mir nachhaltiger, tiefgründiger und impulsreicher für deine Umsetzung im Alltag.
1. Impuls: Akzeptiere, was ist
Du hast immer zwei Möglichkeiten: Entweder nimmst du die Situation so an, wie sie ist. Und beginnst auf Basis deiner Annahme Handlungsmöglichkeiten für dich zu finden. Oder aber du lehnst die Situation ab, kämpfst dagegen an. Was passiert beim einen, was beim anderen?
Das sogenannte Änderungsparadox besagt: Du kannst nur die Dinge verändern, die du zuvor angenommen hast. Was wir nicht zulassen und annehmen können, dagegen kämpfen wir. Aber dadurch wird es nicht schwächer, ganz im Gegenteil: Was wir ablehnen, wird durch unsere Ablehnung nur noch stärker.
Andreas Knuf, Bestseller-Autor und Psychotherapeut
Wichtig zu erwähnen ist: akzeptieren, was ist, hat nichts damit zu tun, ob du die jeweilige Situation gutheisst oder nicht. Es geht vielmehr darum, dass du den Moment so bewusst annimmst, im Wissen, er ist (noch) nicht veränderbar. Zugleich geht es auch um deine Selbstannahme, und die Akzeptanz dessen, dass du nicht alles allein, gerade jetzt und schon gar nicht in perfekter Manier zu lösen hast.
2. Impuls: Werde dir deiner Grenzen bewusst – gerade in Bindungen
Bindungen stärken uns, geben dir Rückhalt im Alltag und bieten Unterstützung in schwierigen Situationen. Sie sind eine kraftvolle Ressource, die deine Resilienz stärkt. Mit einem grossen Aber. Und genau dieses Aber möchte ich dir gern am Beispiel des Mitleides und des Mitgefühls erläutern. Im Kern geht es darum, dass du dir deiner «Grenzen» positiv bewusst wirst in Beziehung zu Menschen. Es geht auch um die Art und Weise, wie wir gemeinsam in Bindung stehen, ob in der Partnerschaft, zu deinen Kindern oder zu Freunden. Emotionale Belastungen sind meist das Resultat von Grenzüberschreitungen.
Liebe setzt Grenzen und ist selbst doch grenzenlos.
Helga Schäferling, Sozialpädagogin
Wir leiden beispielsweise mit, statt Mitgefühl entgegenzubringen. «Was ist der Unterschied?», fragst du dich nun vielleicht. Beim Mitleid vermischen sich die eigenen und fremden Probleme und Gefühle. Mitgefühl hingegen schwächt nicht einen oder beide, sondern stärkt. Beim Mitfühlen herrscht Zuversicht und Hoffnung. Dasselbe gilt auch für die Themen Selbst-Mitleid und Selbst-Mitgefühl. Selbst-Mitleid hält in einem Gefühl fest, keine Wahl zu haben. Man macht sich dadurch selbst klein, gibt Verantwortung und Entscheidungsmöglichkeiten aus der Hand. Fühle ich hingegen, dann spendet mir das Trost, schenkt Kraft und fördert meine Resilienz.
3. Impuls: Spüre, was dir dein Körper und deine Seele sagen möchten
Wir sind im Grunde genommen ein komplexes «System», bestehend aus Körper, Geist und Seele. Und genau dieses System kommuniziert täglich mit uns, auf unterschiedliche Arten und Weisen. Gerade wenn wir diese Signale nicht wahrnehmen, einfach immer weiter funktionieren, schwächen wir unser Immunsystem auf seelischer und körperlicher Ebene. Denn Resilienz bedeutet nicht, einfach alles zu ertragen. Resilienz bedeutet gleichfalls Selbstfürsorge. Denn:
Du bist der wichtigste Mensch in deinem Leben. Also behandle dich auch so.
Unbekannt
Rückenschmerzen sind beispielsweise ein klares Signal, dass wir aktuell zu viel Last – meist emotionaler Natur – ertragen. Gefühle als wichtige Wegweiser zu unerfüllten Bedürfnissen wahrzunehmen ist ungemein wichtig – aber nicht ganz leicht. Manchmal kommt eine Wut in uns hoch, obwohl wir eigentlich traurig oder verletzt sind. Manchmal können wir die Gefühle auch nicht klar in der Zeitachse einordnen: gehören sie ins Jetzt oder sind sie eine Reproduktion früherer Erfahrungen? Einen differenzierten Zugang sowie Klarheit zu deinen Gefühlen kann dir der Raum der Stress-Therapie bieten.
4. Impuls: Sei dir bewusst, du bist immer handlungsfähig – auch wenn du nicht gerade handelst
Trotz deiner Akzeptanz dessen, was ist. Sei dir bewusst: Du bist kein Opfer der Umstände. Es ist kein Gegensatz oder Widerspruch. Vielmehr kannst du aus der Akzeptanz in eine bewusste Handlungsfähigkeit gelangen und nach zielführenden Lösungen schürfen. Gerade unter Stress sind wir wenig fähig, kreative und vernünftige Entscheidungen zu treffen. Reagiere also nicht per se – blind und unbewusst, des reagierens willens.
Nimm dir Zeit zum Nachdenken, aber wenn die Zeit zum Handeln kommt, hör auf mit Denken und geh los.
Andrew Jakson, amerikanischer Politiker
Halte in einem ersten Schritt einfach deinen Glauben hoch, dass du in der Lage sein wirst, Situationen meisterhaft zu meistern! Erinnere dich auch unter Stress an wertvolle Ressourcen und Fähigkeiten, die dich Probleme angehen lassen. Möglicherweise hilft dir dann der Satz weiter: «Ich brauch jetzt gerade einige Minuten für mich.» Es dürfen auch Tage oder Wochen werden, sollte das Problem nicht akut sein! Erst in einem zweiten Schritt, mit etwas Distanz und innerer Ruhe, reagierst du auf das, was ist – aus einer inneren Klarheit heraus, selbstwirksam und lösungsorientiert!