Wo Seelen ins Jenseits entschwinden
Unsere Reise nach Neuseeland war nicht wirklich geplant. Entsprechend klein waren unsere Erwartungen. Einzig Erlebnissen zur tiefen Spiritualität der Maori blickten wir mit grosser Vorfreude entgegen. Eine Erwartung, die sich so leider nicht zu erfüllen vermochte. Auch nicht, als wir in den fernen Norden Neuseelands reisten, wo sich einst die ersten Maori niederliessen und deren Kultur auch heute noch stark verankert ist. Dafür überraschte uns die Landschaft von «Northland» mit wunderschönen Energien. Sei es die Mystik des Spirits Bay, die Erhabenheit von Cape Reinga, wo den Legenden nach die Seelen ihre letzte Reise in die spirituelle Heimat antreten oder die Majestät der riesigen Kauri-Bäume.
Auf der letzten Etappe unserer Neuseelandreise verschlug es uns in den hohen Norden. Wunderschöne Strände und farbenfrohe Unterwasserwelten zeichnen diese Landschaft aus. Doch nicht nur wegen der grossartigen Natur blickten wir gespannt auf unser nächstes Reiseziel. Der Norden wird auch als die Geburtsstätte Neuseelands bezeichnet, siedelten hier sowohl die ersten Maori wie auch die ersten Europäer an. So erhofften wir in «Northland» die bis anhin wenig lebendige Maori-Kultur auch noch in «echt» erleben zu dürfen. Mit «wenig lebendig» meinen wir, dass uns bis dahin Maorikultur zwar begegnete, dann aber «nur» auf Schrifttafeln, die uns über die Vulkane als «sacred mountains» (heilige Berge) informierten. Bei Kulturshows, wo Touristen traditionelle Gesänge, Tänze und der weltberühmte Kriegertanz haka vorgeführt werden. Oder beim Vorbeifahren an einem maera, einem grossen weissen Holzhaus, wo sich die Maori einer Gemeinde zu Besprechungen und Sitzungen zusammenfinden.
Erst einmal erfreuten wir uns jedoch an der Schönheit der hier in grosser Anzahl anzutreffenden Meereslandschaften. Tagsüber genossen wir den Ausblick auf den tiefblauen Ozean…
…und am Abend wunderbare Sonnenuntergangsstimmungen.
Schliesslich erreichten wir in strömendem Regen die ganz im Nordzipfel der Insel gelegene Spirits Bay. Einst war dies das zu Hause einer tief spirituellen Maori-Siedlung. Heute erinnert nur noch eine am Rande der Hügel platziert Tafel mit der Aufschrift «Maori land. Access only by permit» an das früheren Tage. Dennoch verzauberte uns der Ort mit seinen ganz eigenen mystischen Stimmungen: Am Morgen zogen Nebenschwaden über die tiefgrünen Hügel…
…und den kilometerlangen Sandstrand hatten wir nur mit tausenden von Muscheln, kreischenden Möwen und angespülten Quallen zu teilen.
Je näher der Tag der Abreise rückte, umso mehr nahmen wir Abschied von der Vorstellung, auf unserer Reise das Leben der Maori etwas näher kennenlernen zu können. Wie Werner Krieger, ein seit mehr als 15 Jahren in Neuseeland lebender Deutsche treffend in seinem kleinen Büchlein „Meine Erlebnisse mit den Maori von Neuseeland“ beschreibt, hat man als Tourist kaum die Zeit und auch nicht die Gelegenheit, mit der echten Maorikultur in Kontakt zu kommen. Nun, ganz ohne ein Maori-Erlebnis verliessen wir die Insel dann doch nicht. Am Wochenende erhielten wir Besuch. Jack und Jim gingen im Spirits Bay auf Fischfang und luden uns am Abend zu einem köstlichen „Fish and Chips“-Essen ein: Frisch gefangener Snapper, in Bierteig schön knusprig gebraten…es schmeckte wunderbar. Und nebenbei erfuhren wir auch ein wenig mehr über das Leben und Denken zweier Maori. Ein Denken, welches zu einem grossen Teil schon lange in der modernen Welt angekommen zu sein scheint. So schenkten sie beispielsweise den mündlich überlieferten Maori-Legenden weniger Glauben als der Bibel, dem geschriebenen Wort.
Vom Spirits Bay ging es in wenigen Autominuten zum «Ninety Mile Beach» (der übrigens nur 64 Meilen lang ist) und den «Giants Sanddunes», den riesigen Sanddünen. Während Horden von Touristen in riesigen 4WD Busen über den Strand bretterten und danach auf Boards die Dünen hinabsausten, zogen wir es vor auf einem langen Spaziergang den unerwartet vielfältigen Charakter der Sandlandschaft zu erkunden.
Das schöne Sonnenwetter nutzten wir gleichentags für einen Besuch des Cape Reinga. Den Sagen der Maori reisen die Seelen der Verstorbenen hier hin, rutschen über die Wurzeln eines 800 Jahre alten Pohutukawa Baumes in den Ozean, um schliesslich aus dem Wasser hochsteigend ihre letzte Reise ins spirituelle Heimatland Hawaiki anzutreten.
Anderntags genossen wir die prächtige Landschaft des hohen Nordens nochmals ausführlich bei einer halbtägigen Wanderung. Mutterseelenalleine schlenderten wir über endlos lange Sandstrände…
…und staunten ab der Farbenpracht der Landschaft mit dem rötlich gefärbten Vulkangestein vor der azurblauen Meereskulisse.
Danach hiess es Abschied nehmen vom Nordzipfel der Insel. Die Nordwestküste wartete noch mit einem Highlight auf, welches wir nicht verpassen wollten: Den Kauri-Bäumen. Die zweitgrössten Bäume der Welt können bis zu 61 Meter hoch wachsen und einen Baumstamm-Durchmesser von über fünf Metern aufweisen. Vor Anbruch des 19. Jahrhundert war die Nordinsel mit Kauri-Bäumen übersäht. Nach Ankunft der Europäer fielen diese aber nah dies nah Holzfällern und Harzsammlern, sogenannten «Gummdiggers», zum Opfer. Erst auf grossen internationalen Druck hin errichtete Neuseeland 1952 ein Naturschutzgebiet rund um den Waipoua Forest. Dort hatten wir dann auch die Möglichkeit, dem grössten, noch stehenden Kauri-Baum der Welt einen Besuch abzustatten. Es verschlug uns den Atem, als wir unsere Köpfe in den Nacken werfen mussten um bis zum Baumwipfel des Tane Mahuta (unten im Bild mit der klitzekleinen Lea in gelber Regenjacke), benannt nach dem Waldgott der Maori, hochblicken zu können. Rund 1200 bis 2000 Jahre lang wuchs dieser Kauri-Baum bolzengerade in den Himmel, bis er seine stattliche Grösse von 51,5 Meter erreichte. Eine unglaubliche Majestät, Kraft und Ruhe strahlte Tane Mahuta aus. Eine Energie, die bei uns einen ehrfurchtsvollen Eindruck hinterliess. Ein krönender Abschluss unserer Neuseelandreise, wie wir fanden.
Nach rund 6500 Fahrkilometer endete unsere Reise hier in Neuseeland. Mit wunderschönen Eindrücken im Gepäck treten wir nun die Weiterreise an. What’s next? Eine Frage, auf die wir noch keine definitive Antwort haben. Wer weiss, wo uns das Schicksal diesmal stranden lässt. Wir lassen uns überraschen und melden uns wieder…